von Personen im öffentlichen Raum liegt laut einhelliger Meinung darin, dass sie authentisch sind. Nicht, dass irgendjemand weiß, was das genau meint; doch wer authentisch ist, ist gut, heißt es. Ach so. Laut Duden bedeutet das Wort: echt, den Tatsachen entsprechend und daher glaubwürdig. Merkwürdigerweise werden als Beispiele dafür keine Menschen angeführt. Weil der Begriff nämlich Unsinn ist. Jeder von uns spielt andauernd mehr als eine Rolle – besonders Menschen in der Öffentlichkeit. Weil das Leben eine Bühne ist. Und jeder wechselt die Rollen. Mal mehr, mal weniger gut, aber andauernd. Schon Kinder sind perfekte Schauspieler. Jeder Vierjährige hat bereits gelernt, dass Oma und Opa auf Anderes reagieren, Anderes erlauben, andere Maßstäbe ansetzen als Mama und Papa. Jedes Scheidungskind weiß, dass man bei dem einen das, bei dem anderen etwas anderes sagen, tun, lassen kann, darf, ja sogar muss, um einigermaßen unbeschadet selber durchs Leben zu kommen. Jeder Vater ist Vater, Kollege, Chef oder Fußballtrainer, hier gut, da besser, auf jeden Fall überall anders. Nicht im Kern – und das meint vielleicht das authentisch dabei, aber in der Umsetzung. Der obligarische Kurzhaarschnitt nach einer Lebenskrise soll ja genau das sein, die Möglichkeit in eine neue Rolle zu schlüpfen, jemand anderes zu werden, sich ein bisschen neu zu erfinden, gar sich selber einen Schubs zu geben. Somit ist das wichtigste für Menschen, sich in ihren Rollen wohl zu fühlen. Im Job, in der Familie, als Elternvertreter oder Diskutanten in einer Talkshow. Erst dann sind wir eine gute Mutter, eine gute Chefin, eine gute Politikerin. Ein Pressesprecher ist nur dann gut, wenn er guten Gewissens sein Unternehmen in der Öffentlichkeit vertreten kann. Glaubwürdig ist derjenige, der überzeugt von seinen Inhalten, seinen Themen ist. Und das hat nichts mit auswendig gelernten Texten zu tun. Das müssen Schauspieler gut können. Das ist ein eigener Beruf. Lustigerweise ein Beruf, bei dem der schlecht ist, der nur sich selber spielen kann.
