Am Tag des Selbstportraits sei eine Lanze gebrochen für die moderne Art der Selbstdarstellung, mit der uns der Tourist in den Wahnsinn, die Generation Z ins Verderben und das eigene Kind womöglich in die innerfamiläre Verzweiflung treibt. Wir, die wir mit Schnurtelefonen stundenlang in kalten Fluren sitzend aufgewachsenen sind, können lernen von diesen jungen Menschen mit der Linse immer eine Armeslänge voraus. Wir haben nämlich immer noch Angst, vor Gruppen jeglicher Größe aufzutreten. Wir scheuen immer noch jede Fotoaufnahme und stellen uns gerne in die letzte Reihe selbst wenn es unsere eigene Feier ist. Wir halten gar Videokameras für Teufelszeug mit dem Potential unsere nicht vorhandene digitale Zukunft zu vernichten. Die Zettis sind anders. Sie lernen ganz früh mit dem eigenen Bild umzugehen. Nicht, dass sie alles richtig machen. Aber sie haben keine Angst mehr vor sich selbst, vor dem Bild, dem Foto. Und das hilft schon mal sehr in einer visualisierten Welt. In einer Welt, in der das Bild natürlich das Sein bestimmt. Selbst wenn es das nicht ist. Sie lernen spielen mit Rollen, mit Wirkung, mit ihrem eigenen Auftritt. Lernen, was funktioniert und was nicht, manchmal sogar, was Ihnen steht, womit sie sich und anderen gefallen. Das Selbstportrait war schon immer Inszenierung. Bei den alten Meistern aus Holland genauso wie dem jungen Influenzier aus Wanne-Eikel. Es erzählt eine Geschichte. Die eigene, die sonst vielleicht nie jemand erzählen würde. Warum denn auch? Warum denn auch nicht?
