Es gibt neuerdings Menschen, von denen kenne ich die Falten am Kinn besser als sie ihre Augenfarbe. Andere haben Glubschaugen – vielleicht weil sie denken, die Kamera ihres Laptops ist so klein, dass man ganz nah ran muss? Bei manchen kenne ich unnötigerweise die Datenrate ihrer Telefonverbindung auswendig. Erstaunlich ist auch wie viele Leute kaum Licht in ihren Wohnungen haben. Und wenn die Bücherregale nicht so schief wären, könnte man wenigstens die Titel lesen während das Gegenüber mal wieder den Tonschalter nicht findet. Aber immerhin haben erstaunlich viele Menschen immer noch Bücher. Videokonferenzen sind gut fürs Klima und zwingen einen, sich zu schminken bevor der Tag überhaupt losgeht. Was war das Leben lodderlich herrlich als Homeoffice noch Wäschewaschen war und Telefonkonferenzen das höchste der technischen Gefühle. Aber darum soll es gar nicht gehen in diesem kleinen Text.
Wer wie ich mit Menschen im analogen Leben an ihren Auftritten im Fernsehen und auf großen Bühnen arbeitet, wird seit dieser Virus uns alle in die digitale Welt zwingt, andauernd danach gefragt, wie man denn in einer Videokonferenz richtig sitzt, was man anzieht, warum der Ton ruckelt, wo man überhaupt hingucken soll und warum die einen so viel besser aussehen als die anderen. Ja, weil die sich Gedanken gemacht haben. Geübt haben. Weil der richtige Platz, der passende Hintergrund, eine vernünftige Internetleitung und die Höhe des Laptops nun mal nicht vom Himmel fallen. Weil eine Videokonferenz mit Kunden und Kollegen nun mal nicht der sonntägliche Skype-Call mit der Oma ist. Weil Bilder mehr transportieren als viele Worte. Macht Euch also Gedanken und Screenshots: Vernünftige Kleidung ohne viele Muster, eine gute Sitzposition auf Augenhöhe mit der Kamera im Computer oder Laptop. Bücher unter das Gerät, wenn es zu niedrig ist und nicht den Winkel des Bildschirms zur Korrektur der Höhe nutzen. Wenn Ihr die Bücher direkt hinter Eurem Rücken rausnehmt, fällt die Lücke im Regal auch gar nicht auf. Das Gerät muss parallel zur Wand hinter Euch stehen und das Licht eher von vorne, ggfs. von der Seite kommen, keinesfalls von hinten. Ein Mikrofon kann Wunder wirken je nach Endgerät (aber daran denken, dass das einen USB-Anschluss für den Computer haben muss); ein Headset geht auch, aber nur, wenn sicher ist, dass einen das Gegenüber nicht mit einem Call-Center-Mitarbeiter verwechselt. Dann ist die Stimmung gleich so schlecht. Schminken und pudern wirkt wunder. Oder mein Lieblingsgadget nehmen: Snap Camera, ein kleines Programm aus dem Internet mit Weichzeichner und herrlichen Looks für ein bisschen Spaß zwischendrin. Aus Sicherheitsgründen garantiert eine Katastrophe, aber herrlich. Und unabhängig vom Videokonferenzsystem: Nutzt immer eher die Sprecheransicht und nicht die Galerie, zieht das Gegenüber so weit nach oben und so nah es geht unter die Kamera, damit die Blickrichtung stimmt. Nehmt Euch Zeit, gebt Euch Mühe und testet jeden neuen Call vorher, damit Ihr nicht die Nervlisten Eurer Gesprächspartner anführt. Nach Ascot geht man ja schließlich auch nicht ohne Hut.